Vor ein paar Jahren gab es eine Zeit, eine ziemlich lange Phase im Nachhinein betrachtet, in der es mir sehr schlecht ging. In dieser Zeit habe ich mich mit meinen Träumen über Wasser gehalten: „Irgendwann möchte ich den Master in Innenarchitektur machen und dann eine Ausstellung!“. Zu dieser Zeit haben sich diese Träume noch sehr utopisch angehört. Es gab aber gottseidank eine nächste Phase. Ich habe begonnen, Dinge, von denen ich schon immer geträumt habe, einfach nach und nach anzupacken und zu machen. Getreu Goethes Motto: „Erfolg hat drei Buchstaben: TUN!“ Einfach machen, dann wird schon alles … und wirklich, ich habe es geschafft! Im Januar 2016 habe ich meine Masterthesis in der Innenarchitektur erfolgreich bestanden! Yay!!! – und der zweite Traum beginnt am kommenden Wochenende!
Erfolg hat drei Buchstaben: TUN
Ich freue mich so sehr, ich kann es fast nicht in Worte fassen: Am Samstag startet MEINE Ausstellung MEINER Masterarbeit „Das Wohn(werk)zeug“, die Vernissage findet am selben Tag um 18:30 statt: Herzliche Einladung dazu! Meine Ausstellung zeigt die Entwicklungsstufen bei der Konzeption einer Methode, mit der man vorhandene Gebäudestrukturen für das Wohnen und Arbeiten in der Zukunft nutzen kann. Entstanden ist eine Art Werkzeug mit dem man Wohnraum bilden und strukturieren kann. Den Entwurf das Wohn(werk)zeug habe ich für meine Masterthesis in der Fachrichtung Innenarchitektur an der Hochschule Trier konzipiert. Als Ergänzung meiner Ausstellung möchte ich hier ein wenig auf die Hintergründe eingehen, damit die Ausstellung verständlicher wird. Auch die beiden Hausarbeiten, die ich im ersten Semester des Masters bearbeitet habe, werden kurz erklärt, damit der Zusammenhang deutlich wird.
Einleitung in das Thema
Das Ausgangsthema der vorliegenden Masterthesis war „Wohnen: gestern-heute-morgen“. Die Literatur dazu ist schier unendlich. „Wohnen“ – Was bedeutet das? Was gehört zu einem schlüssigen Grundriss? Wie waren die Wohnungen früher geschnitten? Wie sieht es heute aus? Zuerst stellte sich die Frage: Wann genau beginnt eigentlich die Geschichte des Wohnens? Wie weit muss man sich in der Geschichte des Wohnens zurück bewegen, um Rückschlüsse auf bestimmte Strukturen ziehen zu können? Was gehörte früher zum Wohnen? Welche Räume gab es in einer Wohnung/ einem Haus? Bestand die Wohnung nur aus einem großen Raum? Wie viele Menschen lebten in einer Wohnung? Wie hat sich das Wohnen verändert? Wie wohnte man in den Epochen der Frühgeschichte, Mittelalter oder Neuzeit? Was ist/war den Menschen wichtig? Welche Phasen des Wohnens gab es im Laufe der Zeit? Kann man die Wohnkultur überhaupt in feste Phasen einteilen? Dazu wurden zwei Hausarbeiten von mir verfasst, die ich im Folgenden kurz erklären möchte:
„Die Renaissance der Flexibilität im Wohnungsbau“
Für die Veränderung der Wohnungen und Grundrisse im Wandel der Zeit sind verschiedene Stellschrauben verantwortlich. Der demografische Wandel spielt dabei immer wieder eine große Rolle, ebenso kulturelle, technische und wirtschaftliche Aspekte. Die folgenden Faktoren wurden behandelt: Der Wandel der Lebensweise, die ökonomische Entwicklung, die interne und externe Migration und die segmentierten Wohnungsmärkte.
Durch Sichten der entsprechenden Literatur zu diesen Themen, fiel ein Merkmal, das immer wieder auftauchte besonders ins Auge: die Flexibilität im Wohnungsbau. Die „Renaissance der Flexibilität im Wohnungsbau“ zeigt eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Wandel, der die Flexibilität von Grundrissen und Wohnungen notwendig macht. Weiterhin wurden vier verschiedene Arten der Flexibilität bei der Bildung von Wohnraum besprochen und anhand bisher angewandter Methoden und Beispiele erklärt. Die Arten wurden in chronologischer Reihenfolge aufgeführt und erläutert, sowie anhand historischer Beispiele belegt.
1. Unterschiedliche Wohnungsgrößen innerhalb eines Wohnhauses
Am Beispiel des Berliner Mietshauses kann man sehen, wie durch unterschiedlich große Wohnungen innerhalb eines Mietshauses auf die Bedürfnisse der Bewohner eingegangen wurde. In jeder Etage befinden sich Wohnungen mit und ohne Bad, Zwei- oder Dreizimmer-Wohnungen, manche davon sogar mit zweitem Eingang und Schlafraum für die Bediensteten. Beispiel: Berliner Mietshaus um 1890
2. Nutzungsneutrale Zimmer innerhalb einer Wohnung
Nach dem ersten Weltkrieg, zu Beginn der 1920er Jahre, kam die Zeit der Siedlungsbauten im sozialen Wohnungsbau. Die Antwort der Architekten auf die mit dem Krieg einhergehende Wohnungsknappheit bildete einen neuen Ansatz der Adaptivität im Wohnungsbau. Eine Wohnung, etwa in einem Mehrfamilienwohnhaus, wird bei dieser Variante so konzipiert, dass alle Zimmer ungefähr die gleiche Größe und einen ähnlichen Zuschnitt haben. Beispiel: Siedlungsbauten, hier: Weißenhofsiedlung in Stuttgart, 1927
3. Die Wohnung mit flexiblen Trennwänden
Diese Flexibilitätsart bei der man Wohnraum mittels verschieb- oder drehbaren Wänden bildet, kam in den 1920er Jahren auf. Durch flexible Elemente können beispielsweise neue Räume gebildet werden, oder vorhandene kleinere Räume können zu einem großen Raum erweitert werden. Beispiel: Kleinwohnung Haus Fieger, Architekt Carl Fieger, 1927
4. Wohnraum gestaltet mit einzelnen Modulen
Bei der vierten Variante wird die Wohnung bzw. das Gebäude mit dreidimensionalen Modulen gestaltet. Diese Variante ermöglicht eine flexible, auf den Nutzer abgestimmte Bildung von Wohnraum. Beispiel: SCAG-System, Helmut C. Schulitz, 1968
„Der anpassungsfähige Wohnraum“
Für dieses Projekt habe ich die Grundrisse von verschiedenen Wohnungen und Gebäuden in Deutschland und den angrenzenden Ländern hinsichtlich ihrer Flexibilität untersucht. Durch die Analyse verschiedener Haus- und Wohnungstypologien konnte das Projekt auf einen Kern reduziert werden: Die Untersuchung der Grundrissform, Ausstattung und Raumanordnung hinsichtlich Variabilität. Nachdem mehrere verschiedene Flexibiltätsarten untersucht waren, konnten vier Hauptarten festgelegt werden.
I Unterschiedliche Wohnungsgrößen
Es gibt innerhalb eines Hauses unterschiedliche Wohnungsgrößen, um auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Benutzer einzugehen. Eine Familie mit fünf Personen und Dienstpersonal benötigt beispielsweise eine größere Wohnung, als eine mit nur drei Personen. Beispiel: Ebenfalls das Berliner Mietshaus, auf dem Foto oben sieht man einen Grundriss eines Gebäudes in Berlin in der Muskauerstraße auf unterschiedliche Art und Weise analysiert.
II Wohnung mit nutzungsneutralen Zimmern
Bei der Wohnung mit mehreren nutzungsneutralen Zimmern, konnten die Nutzer die Räume flexibel einteilen: Ein Zimmer, das zuvor Wohnzimmer war konnte Schlafraum werden oder umgekehrt. Beispiel: Hufeisensiedlung, Bruno Taut
III Wohnung mit flexiblen Trennwänden
Eine weitere Art der flexiblen Wohnung ist eine solche mit felxiblen Trennwänden oder raumbildenden Elementen. Bei dieser Art des „befreiten Wohnens“, wie es Adolf Rading nennt, gibt es einen großen Raum, der durch flexible Möbel und Einbauten, etwa klappbare Tische oder Falt-Türen unterteilt werden kann. Beispiel: Haus Schröder
IV Wohnraum gestaltet mit Modulen
Die letzte in der vorliegenden Arbeit beleuchtete Art des flexiblen Wohnens findet man erstmalig in den 1960er Jahren. Der Grundriss wird hier dreidimensional aus einzelnen Wohnmodulen entwickelt. Entweder in der Fläche oder im Raum können beliebig viele und auf den Nutzer abgestimmte Module aneinander gereiht werden. Beispiel: Metastadt, Wulfen – Das Foto unten ist in der Dauer-Ausstellung im Haus der Geschichte in Bonn entstanden.
Im Artikel „Das Wohnschlafbadezimmer“ schreibt Journalist Lars Klaaßen: „Wer sich seine (Wohn)Wünsche vor Augen führt, wird oft mit Widersprüchen konfrontiert. Soll es ein offenes Zuhause sein, das innen Weitläufigkeit bietet und fließend in den Außenbereich übergeht? Oder ein geschütztes Eigenheim, das jedem Bewohner Rückzugsmöglichkeiten bietet? Beides lässt sich selten in einem Haus verwirklichen.“ Die Leiterin der Hochbauabteilung der EGP Trier berichtete, dass die Bewohner der bisher fertig gestellten Wohnungen auf dem gewählten Gelände zwar die Loft-Atmosphäre mögen, aber am Ende doch wieder zu geschlossenen Räumen mit „normalen“ Wänden tendieren. Oft fehle den Bewohnern die Möglichkeit eines Rückzugs in einen geschützten Raum, der Geborgenheit gibt.
Der Entwurfsgedanke
Diese beiden Aussagen waren ausschlaggebend für den Entwurfsgedanken: Es sollte ein flexibles Raum-Element konstruiert werden, durch dessen Anordnung im offenen Raum verschiedene Szenarien gebildet werden können. Diese Methode stellt eine Mischung zwischen Flexibilitätsart drei und vier dar. Der Raum wird mittels Modulen gebildet und kann vom Nutzer variabel gestaltet werden. Man kann sagen, diese flexiblen Module funktionieren als Werkzeug, um Raum zu bilden – als Wohnwerkzeug. Die Mischung zwischen Weite und Geborgenheit kommt so der perfekten Wohn-Situation am nächsten. Der Bewohner kann sich mit Hilfe eines Modulkatalogs entscheiden, welche Räume er offen und welche er geschlossen haben möchte. Als nächster Schritt folgte nun die Beschäftigung mit dem Ort und die Formfindung der Einzelmodule.
Konzeption
Orientierung auf dem gewählten Gelände und Objektfindung
Foto: EGP Trier
Im Zuge der Masterthesis sollte eine Wohnung der Zukunft entworfen werden. Als möglicher Ort wurde das Bobinet-Gelände (Abb. oben) im Trierer Westen festgelegt. Die Entwicklungsgesellschaft Petrisberg (EGP) baut auf diesem Gelände zur Zeit schon Wohnungen und Gewerbe. Das ehemalige Betriebsgelände der Textilfabrik Bobinet wurde 1914 erbaut. In den 1950er Jahren wurde das Areal weiter ausgebaut und man gründete die Deutsche Bobinet GmbH. 1999 übernahm Eybl International die Bobinet GmbH und stellte dort bis Ende 2009 Textilien für die Automobilindustrie her, dann wurde der Standort Trier geschlossen. Die Firma Eybl International produziert weiterhin weltweit, der Hauptsitz befindet sich in Österreich.
Als Hülle für das Zukunfts-Domizil sollte eine der vielen Hallen gewählt werden. Mindestens eine der vorgestellten Flexibilitätsarten sollte bei dem Entwurf zum Einsatz kommen. Nach einem Vor-Ort-Besuch des Areals war ziemlich schnell klar, dass die Halle 1 (grüne Markierung auf dem Lageplan) geradezu prädestiniert für das geplante Projekt ist. Eine Halle im Rohzustand, die nicht an zu viele örtliche Gegebenheiten gebunden ist und freien Raum für ein flexibles Nutzungskonzept lässt. Die Entwicklungsgesellschaft sieht für diese Halle ein Konzept im Bereich Wohnen und Arbeiten vor, was dem Projekt zum Wohnen in der Zukunft natürlich sehr gelegen kommt, da in der Zukunft die Arbeitsstätte immer mehr in den Wohnbereich verlagert wird.
Das flexible Element, welches den Raum der späteren Wohnungen der Halle strukturiert und bildet sollte etwas mit dem Ort zu tun haben. An diesem Ort wurden Jahrzehnte lang Textilien hergestellt, erst Vorhangstoffe und Teppiche, danach die Spezialisierung auf Automobiltextilien. Zuerst wurden verschiedene Stoff- und Gewebestrukturen untersucht, um einen Ansatz für die Entwurfsgestaltung zu finden. Die Form des Werkzeuges, um den Wohnraum zu strukturieren müsste flexibel sein und sich in den Raum einfügen können, keine spitzen Ecken und Kanten, die stören. Nach eingehender Sichtung unterschiedlicher Textilien, fiel der Blick auf ein besonderes Herstellungsverfahren, auf das sich Eybl spezialisiert hat, ist das Kettwirken. Bei dieser Methode werden Stoffe produziert, die besonders flexibel sind. Diese sogenannte „Kettwirkware“ sieht unter dem Mikroskop (siehe Grafik unten) aus wie kleine Schlaufen, die miteinander verbunden sind.
Kettwirkware bietet ein breites universelles Anwendungsspektrum, was eine Vielfalt von Einsatzbereichen ermöglicht. Bei der Kettwirkware mit ihren vertikalen Maschen ist die Dehnbarkeit sogar noch stärker ausgeprägt als bei Strickwaren. Im Gegensatz zur Kettwirkware gibt es die Wirkware.Der Unterschied zwischen beiden Methoden besteht darin, dass die Maschenreihen einmal vertikal und einmal horizontal verwoben sind. Bei Stoffen, die im Kettwirkverfahren hergestellt wurden, wird durch die vertikale Verwebung eine höhere Flexibilität des Endprodukts, also des Stoffes erreicht.
Experimentelles Wohnen
Zuerst noch ein wenig unförmig entstand aus der Kettwirkstruktur ein Element, mit dem mit dem der Grundriss einer Wohnung strukturiert werden kann. Die Form ist so flexibel, dass man außerdem zwei der Elemente (Einzel) zu einem Größeren (Doppel) kombinieren kann. Durch die Module soll eine Möglichkeit geschaffen werden in einem großen offenen Raum einen Unterschlupf zu finden. Der Grundriss des variablen Elements stand also und nun musste das einzelne bzw. doppelte Element vom Grundriss in den dreidimensionalen Raum weiterentwickelt werden. Die ersten Skizzen zeigten, dass das Entwerfen auf dem Papier nicht mehr ausreichte und so ging der Entwurfsprozess in die nächste Runde: es wurden verschiedene Arbeitsmodelle gebaut, um die Körperentwicklung im Raum zu ermitteln.
Bei den Modellen in Phase 2 und 3 ging es eindeutig auch schon um die Konstruktion der Module. Wie man an den Modellen erkennen kann, reichte aber eine reine horizontale Struktur nicht aus. An den Ecken müssen zusätzlich aussteifende Elemente vorgesehen werden. Die „Fassade“ der Module sollte lichtdurchlässig sein und nicht komplett vom Raum abgeschottet. Das Grundgerüst besteht aus einer Pfosten-Riegel-Konstruktion beidseitig beplankt mit formverleimtem Sperrholz. Die äußerste Schicht besteht aus einem textilen Überzug, der transluzent ist. Textur, Farbe und Lichtdurchlässigkeitsgrad kann vom Nutzer individuell gewählt werden.
Der Formfindungsprozess
Als das Grund-Modul geschaffen war, entwickelten sich daraus weitere Module im Bereich Wohnen. Die Module können für unterschiedliche Funktionen angeboten und von den Bewohnern frei gewählt werden. Möchte man eine offene Küche oder lieber eine geschlossene, möchte man im freien Raum schlafen oder lieber ein Schlaf-Modul mit Koje? Ein weiterer Vorteil der Modulform ist die Kombinationsmöglichkeit untereinander. Durch eine Vorrichtung an der Unterseite der Module können diese beliebig miteinander verbunden werden. Außerdem können die Module für weitere Funktionen genutzt werden, etwa für einen Co-Working-Space oder eine Kita, die in einer der leerstehenden Halle ihren Platz findet. Bei der Office-Variante etwa, könnten zwei Doppel-Module miteinander verbunden werden zu einem großen Besprechungsmodul. Verschiedene Module sind Katalogübergreifend nutzbar, wie etwa das Küchen- oder das WC-Modul.
Die gewählte Halle ist 64 m lang und 15 m breit. Damit man mehrere Wohneinheiten darin integrieren kann, muss die Gesamtfläche in Einheiten aufgeteilt werden. Insgesamt sind fiktiv acht Wohnungen von mir geplant worden, das vorhandene Hallenkonstruktionsraster habe ich genutzt. Die beiden äußeren Einheiten bestehen aus vier Rastern, die mittleren aus dreien. Die Größeren sind beispielsweise für die Unterbringung des Co-Working-Space oder der Kita geeignet. Die Überlegung noch zusätzliche Teil-Decken in die Wohnungen einzuziehen wurde zugunsten der großzügigen Raumhöhe im Laufe der Entwurfsphase verworfen. Die beiden äußeren Wohnungen haben so eine Fläche von etwa 150 qm und die Wohnungen in der Hallenmitte sind etwa 110 qm groß.
Ich hoffe, dass Ihnen/Euch meine Ausstellung bzw. das Thema meiner Master-Thesis hierdurch verständlicher geworden ist. Sollten Sie dennoch Fragen haben, können Sie sich gerne per E-Mail an mich wenden: hallo@innenleben-design – ich freue mich auf Ihr Feedback!
Herzlichst Kathrin Knieps-Vogelgesang
Foto: Linda Blatzek Photography